Ein Kongress zu Sexismus im Jurastudium am 23.4. in Münster.

Ein Kongress zum Thema Sexismus in der juristischen Ausbildung.

Grundkonzept: Ende April 2016 soll ein zweitägiger Kongress zum Thema Sexismus in der juristischen Ausbildung bzw. feministische Perspektiven auf das Jura-Studium stattfinden. Nach einer Auftaktveranstaltung gliedert sich der Kongress in drei bis vier Schienen, welche sich jeweils mit unterschiedlichen Aspekten beschäftigen werden und parallel zueinander laufen. In jeder Schiene gibt es jeweils zwei Workshops oder Vorträge.

  • 1. Schiene: Sexismus in juristischen Fällen

Workshop Phase 1: Sprachwissenschaftliche Sicht: Sexismus in der Sprache

Workshop Phase 2: Umformulierung von Fällen

  • 2. Schiene: Sexualstrafrecht. Ein absichtlich nicht behandeltes Thema?!

 

Workshop Phase 1: juristische Aufarbeitung des Sexualstrafrechts

Workshop Phase 2: Psychologische/Pädagogische Sicht: Wie kann man Themen wie Sexualstrafrecht im Unialltag angemessen vermitteln? Wie kann man mit Betroffenen umgehen?

  • 3. Schiene: Sexismus im Studium

 

Workshop Phase 1: Wie wirken sich hegemoniale Strukturen auf das Studium aus (empirische Analyse zu Abschlüssen, Aufstiegschancen, Examensthematik)?

Workshop Phase 2: Welche sexistischen Hürden finden sich im Studium, welche Möglichkeiten gibt es aktiv zu werden/ sich zu beschweren?

 


 

Workshopbeschreibungen

1. Schiene, Workshop-Phase 2:

*Stereotyp und Vorurteil – Juristische Ausbildungsfälle umschreiben*

Dana-Sophia Valentiner

In der juristischen Ausbildung dienen sog. Fälle der Anwendung des
erlernten Wissens und fördern Transferleistungen der Lernenden. Sie
bilden den Gegenstand nahezu aller Prüfungen – sowohl in den Klausuren
und Hausarbeiten, die während des Studiums geschrieben werden, als auch
in der staatlichen Prüfung zum ersten Staatsexamen. Als Assoziations-
und Motivationshilfen bergen die verwendeten Beispiele Potentiale, die
rechtsdidaktisch erst allmählich ausgelotet werden und längst nicht
ausgeschöpft sind. Nicht selten begegnen Jurastudierenden leider
Fallbeispiele im Gewand sexistischer Sachverhalte, klassistischer
Klausuren, ableistischer Aufgabenstellungen, rassistischer Rechtsfragen,
exkludierender Examensfälle – jede diskriminierende Darstellung hat im
juristischen Fall schon ihre Alliteration gefunden. In dem Workshop
werden Anregungen für eine geschlechtergerechte und
diskriminierungsfreie Gestaltung der Ausbildungsfälle diskutiert, die
zurzeit in Hamburg in einem Forschungsprojekt entwickelt werden. In dem
Projekt werden u.a. die Examensübungsklausuren der Hamburgischen
Jurastudiengänge auf die Verwendung von (Geschlechter)Stereotypen
untersucht. Die Studie verfolgt das Ziel, für eine geschlechtergerechte
Fallgestaltung in der Rechtsdidaktik zu sensibilisieren und zu werben.
Ausgehend von den Zwischenergebnissen des Projekts werden die
Teilnehmer*innen des Workshops Gelegenheit erhalten, Bad-Practice-Fälle
umzuformulieren, um anschließend mögliche Anregungen für einen Leitfaden
zur Fallgestaltung zu diskutieren. Schließlich wollen wir gemeinsam
Ansätze zur Institutionalisierung von Sensibilisierungsmaßnahmen und
Leitfäden (etwa die Verankerung in den Gleichstellungsplänen der
Fakultäten) erarbeiten.

2. Schiene, Workshop-Phase 1:

*Nein zählt nicht. Zum Umgang mit sexualisierter Gewalt durch eine patriarchale und sexistische Justiz*

Friederike Boll

Sexualisierte Gewalt ist unvermindert Alltag für F*LTIQ. Alltag ist sie
auch, weil die Gewalt in weiten Teilen gesellschaftlich und staatlich
gefördert und verharmlost wird anstatt sie – strukturell wie im
Einzelfall – effektiv zu bekämpfen. Denn entgegen aller rassistisch
motivierter Jahresanfangsreden auf die Frauenrechte[sic*] pflegt
Deutschland zum Beispiel hartnäckig ein (hetero)sexistisches,
patriarchales, täterschützendes und völkerrechtswidriges Strafrecht.
Dieses Sexualstrafrecht soll nun reformiert werden. Mit dem strafenden
Staat also gegen Patriarchat & Sexismus? – Da werden viele feministische
und anti-rassistische „Jein, aber’s“ laut. Ein Blick in
feministisch-materialistische Rechtstheorie und die bittere
Rechtswirklichkeit der Strafverfolgung zeigen, dass es einfache
Antworten nicht geben wird – ein weiter so wie bisher aber definitiv
auch keine Option ist.

Die Veranstaltung versucht daher aus aktuellem Anlass einen
Rundumschlag: Zunächst wird das derzeitige Sexualstrafrecht – das auch
im Rahmen des Studiums nicht gelehrt wird – für Jurist*innen und
nicht-Jurist*innen verständlich dargestellt. Dann wird der aktuelle
Diskurs zu sexualisierter Gewalt und zur Reform des Sexualstrafrechts
skizziert. Dabei steht im Fokus der Kritik die Mittäterschaft des
bürgerlichen Rechtsstaats bei der Absicherung von ungleichen
Geschlechterverhältnissen und sexualisierter Gewalt. Abschließend gehen
wir gemeinsam der Frage nach: Was tun? angesichts sexualisierter Gewalt,
einer sexistischen, patriarchalen Justiz und rassistischer
Vereinnahmungsversuchen.

2. Schiene, Workshop-Phase 2:

*Und was ist mit den Betroffenen? – Sensibler Umgang mit sexualisierter
Gewalt im Studium*

Julia Pooschke und Christoph Muck

In dem Workshop werden zunächst allgemeine Grundkenntnisse zum Thema
sexualisierte Gewalt und Umgang mit Betroffenheit vermittelt. Anschließend
wird über eine mögliche Umsetzung des Themas im Studium diskutiert.

3. Schiene, Workshop-Phase 1:

*Marginalisierungstendenzen im Recht*

Lucy Chebout

Im Rahmen des Kongresses am 23.04.2016 wird Lucy Chebout zur Repräsentation von Frauen in der juristischen Ausbildung und in verschiedenen juristischen Berufsfeldern referieren. Neben empirischen Studien werden persönliche Erfahrungsberichte sowie feministische und antidiskriminierende Interventionen vorgestellt. Ziel ist es, gegenwärtige Ausschlüsse und Marginalisierungstendenzen im Recht sichtbar zu machen und zur Diskussion zu stellen. Darüber hinaus wird es darum gehen, gemeinsam Strategien gegen Sexismus im juristischen Alltag zu entwickeln.

Lucy Chebout hat Jura sowie Gender Studies und Islamwissenschaften in Berlin studiert. Sie ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Öffentliches Recht und Geschlechterstudien an der Humboldt-Universität zu Berlin sowie freiberufliche Trainerin für Gender und Recht, Antidiskriminierung und Diversity.